Nr. 78, Mai 2022 | GWG SCHWERTE - Gut und sicher wohnen

8 Die Industrialisierung setzte in Schwerte 1896 mit einem „Paukenschlag” ein: Die Firma Fleitmann, Witte & Co. verlegte ihren Sitz von Iserlohn nach Schwerte, weil die Nähe zur Eisenbahn enorm wichtig war. Fortan wurde in Schwerte geschmolzen, ge- walzt und geschmiedet. Die Fabrik wuchs und brauchte Arbeiter. Die Einwohnerzahl in Schwerte stieg in kurzer Zeit von 2.900 auf 4.000. Um die Jahrhundertwende arbeiteten über 1.500 Menschen in der Drahtzieherei, einer Stiftefabrik und einem Stahlwerk. Dazu ka- men noch einige Firmen im Umfeld. Zur Jahrhundertwende hatte Schwerte dann be- reits 12.000 Einwohner. Der Fortschritt zog ein, 1899 fuhr die letzte Postkutsche nach Hörde, die Straßenbahn löste die Pferdefuhrwerke ab. Der Eisenbahnanschluß Schwer- tes verbunden mit der aufblü- henden Industrie führte zu ei- ner wahren Bevölkerungsex- plosion, wodurch sich auch das soziale Gefüge der einstigen Ackerbürgerstadt veränderte. Noch 1867 wohnten 70 Prozent der Schwerter im eigenen Haus, um 1900 waren es nur noch ein Drittel. Die Wohngebiete breiteten sich über den Stadtkern zunächst nach Wes- ten/Nordwesten aus und so lagen die Industrie und der Bahnhof nicht mehr isoliert am Rande. Mit der rasanten Geschwindig- keit, in der sich Schwerte ent- wickelte, konnte der Woh- nungsbau nicht Schritt halten. Zwar baute die „Eisenindustrie zu Menden und Schwerte AG” Wohnungen, die sehr einfach wa- ren, aber den Bedarf längst nicht de- cken konnten. Viele Arbeiter hausten auf engstem Raum in oft krank machender Um- gebung. Zur Linderung der Wohnungsnot kam ein wichtiger Impuls aus dem Reichstag: Ein neues Genossenschaftsgesetz durch das die Haftung der Genossen auf die Höhe ihrer Geschäftsanteile beschränkt werden konnte. Dieses Ge- setz war auch in Schwerte der Beginn genossenschaft- lichen Wohnens. Gründungsjahr 1897 Vor diesem Hintergrund wurde 1897 der Spar- und Bauverein Schwerte e.G.m.b.H. gegründet. Am 13. Oktober 1897 traf sich im kleinen Saal des Herrn Ostermann ein beachtlicher Kreis Schwerter Honoratioren, darunter auch Bürgermeister Friedrich Mönnich und der Fabrikbesitzer Theodor Fleitmann. Die gesamte Schwerter Bürgerschaft schien sich entschlossen zu haben, der Wohnungsnot mit Gründung einer Genossenschaft einen gro- ßen Impuls für den Wohnungs- bau zu geben. Nach dem Gründungsakt wur- den Stadtkassenrendant Hein- rich Uffelmann, Rechtsanwalt und Notar Emil Backhausen, Heinrich Burgemeister, Schreiner Carl Kessler und Ludwig Wagner in den Aufsichtsrat gewählt. Bereits zwei Wochen später waren die Formalitäten erledigt und bei einer Generalversammlung am 29. Ok- tober 1897 wurde der Aufsichts- rat mit der Bildung der Ge- schäftsführung beauftragt. Heinrich Uffelmann wurde zum Vorsitzenden des Vorstan- des ernannt. Nachfolger im Aufsichtsrat wurde Bürger- meister Mönnich. Zwei Tage spä- ter bestellte der Aufsichtsrat den sechsköpfigen ehrenamtlichen Vor- stand: Neben Heinrich Uffelmann waren es der Kaufmann L. Emmerich, Gustav Hövel- mann, Fabrikant Julius Möhling, der städti- sche Verwaltungssekretär Brehr und Adolf Müller. Der Vorstand ging gleich mit großem Elan ans Werk, wie im Protokoll der Sitzung vom 12. März 1898 zu lesen ist: „…ferner wurde mitgeteilt, daß der Verein eine eigene Zie- gelei behufs billiger Herstellung der benö- tigten Steine errichten wird.” Ob es diese je gegeben hat ist nicht belegt. Erste Kredite wurden aufgenommen und zwei Grundstücke gekauft. Die ersten Häu- ser wurden gebaut: Zwei Doppelhäuser an der Hermannstraße und ein Einzelhaus an der Ecke Klusenweg/Sonnenstraße. Ein Doppelhaus kostete um 1900 einschließ- lich Grundstück 16.500 Mark. Rasanter Start – dann fehlte das Geld Die im Spar- und Bauverein engagierten Unternehmer verfolgten mit der Förderung der Genossenschaft sicher auch das Ziel, dass für die Facharbeiter und deren Fami- lien ordentliche Einfamilienhäuser errichtet werden sollten. Das gelang anfangs auch, es wurden an der Sonnenstraße, der Hermannstraße, an der Hagener Straße, am Talweg, auf der West- heide und in Wandhofen etwa 120 Woh- nungen in Einzel- und Doppelhäusern mit Einliegerwohnungen gebaut, die dann spä- ter, gemäß der in der Satzung vorgegebe- nen Regeln, in das Eigentum ihrer Bewoh- ner übergingen. Für eine weitere Bauplanung fehlte aber das notwendige Eigenkapital. So beschränkte sich die Tätigkeit der Genossenschaft zu- nächst weitgehend auf die Schuldentil- gung, das Eintreiben der Mitgliedsbeiträge und die Verwaltung des Haus- und Grund- besitzes. GWG-Geschichte zum Anfassen:

RkJQdWJsaXNoZXIy NjAxNTI=